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Mansfelder
Bergbau & Hüttenwesen |
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Seile für den Mansfelder Bergbau
von Dr.
Rudolf Mirsch
2009
Im sächsischen Mansfelder
Kupferschieferbergbau wurden um 1740 allein für
die Schacht- förderungen jährlich etwa 12.000
bis 16.000 m Bergseile benötigt, die manuell aus
Hanf gefertigt wurden. Ein wichtiger Grund
dafür, dass sich das Seilerhandwerk im
Mansfelder Land besonders im 18. Jahrhundert gut
entwickeln konnte. Bereits Jahrzehnte vorher
hatten die Eisleber Seiler eine Innungsordnung
erhalten, und spätestens 1693 wurde den
örtlichen Seilern auch noch das alleinige Recht
zugesichert, den Seilbedarf der Bergbaubetriebe
zu fertigen, und zwar bis zu einer maximalen
Seillänge von 220 m. Seile größerer Länge
waren ohnehin noch nicht erforderlich. Den
örtlichen Seilermeistern war damit ein wirksamer
Schutz vor der Konkurrenz fremder Handwerker und
berufsfremder Personen gegeben. Einhundert Jahre
später wurden im sächsischen Mansfelder Bergbau
75 gangbare Schächte gezählt, wofür Seile von
hoher Güte bereitzustellen waren. Das wiederum
setzte eine ausreichende Anzahl Seilermeister
voraus. Wollte ein Geselle dieses Berufszweiges
Meister werden, hatte er während einer
obligatorischen Wanderschaft seine Fähigkeiten
unter Beweis zu stellen und dabei weitere
Berufserfahrungen zu sammeln. In einer Urkunde
aus dem Jahre 1796 wurde dem Seilergesellen Vogt
aus Eisleben bescheinigt, dass er auf seiner
Wanderschaft in Hannover 12 Wochen in Arbeit
gestanden und sich vorbildlich verhalten hat.
Dieser Beleg war eine wichtige Voraussetzung
dafür, dass er später Meister werden konnte. Es
war ihm sicher auch bewusst, dass in Eisleben
gute Bedingungen bestehen, nach seiner Rückkehr
in die Heimat die Meisterprüfung absolvieren zu
dürfen. Um diese Zeit arbeiteten allein in
Eisleben neun Seilermeister mit fünf Gesellen.
Soweit sie für den Bergbau arbeiteten, hatten
sie einen Berg-Seiler-Eid folgenden Wortlauts zu
schwören: ,,Ich, (Namen des Seilers) schwöre
hiermit zu Gott nach dem ich zur Fertigung der
Bergseile angenommen worden, daß ich mich
allzeit befleißigen will, die Schächte und wo
es sonst nöthig, jederzeit mit tüchtigen guten
dauerhaften Seilen zu versorgen... so wahr mir
Gott helfe". In Seilhaushaltsprotokollen
eines jeden Schachtes wurde der Seilverbrauch
genau registriert. Zum Beispiel mussten in den
Jahren 1799/1800 auf Schacht ,,Q" bei einer
Teufe von 114 m auf zwei Haspel, die Tag und
Nacht belegt waren, 14 neue Seile aufgelegt
werden. Wie bekannt ist, konnten tüchtige
Seilermeister mit ihrer Hände Arbeit
beachtenswerten Wohlstand erlangen. Die oft
genannten Seilermeister Johann Carl Florstedt und
Johann Andreas Zeising sind bekannte Beispiele
dafür. Senator Andreas Friedrich Zeißing, (1764
- 1824), der Sohn und Erbe des Seilermeisters
Zeising stiftete im hohen Alter einen Teil seines
Vermögens seiner Heimatstadt Eisleben. Er wurde
zum Wohltäter vieler arm gebliebenen Eisleber
Mitbürger und wurde dafür hoch geehrt. Die
Qualität und Nutzungsdauer der von den einzelnen
Seilermeistern gelieferten Seile wurde unter
Berücksichtigung der immer anspruchsvolleren
Einsatzbedingungen zunehmend genauer überwacht.
Das war auch zwingend erforderlich, weil durch
das Anwachsen der Förderteufen die Seilrisse
häufiger wurden und deshalb nur beste
Seilqualitäten verwendet werden sollten. Mit
Dekret vom 05.07.1831 verlangte schließlich der
Geschworene Bolze, im Schacht Ziervogel des
Schafbreiter Reviers eine Vorrichtung zur
zerstörungsfreien Prüfung aller neuen
Förderseile zu installieren. Es dürfte einer
der ersten Vorschläge für Einrichtungen dieser
Art im Bergbau gewesen sein. Auch Franz Carl
Richards (1800 1872), Maschinen-Oberinspektor
der Mansfelder Gewerkschaft, verfasste Gutachten
und machte Vorschläge, um den zunehmenden
Schwierigkeiten mit Hanfseilen zu begegnen.
Beispielsweise wurde von Richards vorgeschlagen,
für die Dampfgöpelseile des Bücklingschachtes
je Litze nicht 110, sondern 125 Fäden zu
wählen. Er erwartete, dass damit vier Jahre die
gewünschte Seil-Sicherheit gewährleistet werden
kann. |
Das ,,Eyserne Seil" Vor
nunmehr 175 Jahren (1834) wurden erstmals aus
geflochtenem und gedrehtem Eisendraht
hergestellte Seile nach Oberbergrat W. A. J.
Albert auf den Gruben des Oberharzes als
Förderseile eingesetzt. Damit begann ein neues
Zeitalter der Fördertechnik im Bergbau. Seile
aus Eisendrähten herzustellen war nicht neu. Die
Idee dazu war auch Oberbergrat Albert
wahrscheinlich nicht von ungefähr gekommen. Die
Schächte im Oberharz hatten bereits Teufen
zwischen 400 m bis 600 m erreicht. Aus Hanf
hergestellte Treibseile und alternativ dazu
verwendete Eisenketten erlitten immer häufiger
Brüche, wodurch große Schäden und hohe Kosten
verursacht wurden. Auch wuchs die Sorge, dass der
Bergbau nach der Tiefe aus diesen Gründen nicht
mehr fortgesetzt werden konnte. Viele mit hohen
Kosten verbundene Versuche, Ketten an Stelle der
Hanfseile zu verwenden, hatten nicht zum
erhofften Erfolg geführt. Anfang des Jahres 1834
begann der Oberharzer Bergbeamte Julius Albert
(1787-1846) in Clausthal mit intensiven
Untersuchungen, gezogene Eisendrähte zur
Herstellung von Seilen zu verwenden. Das ab 23.
Juli 1834 auf der Grube Caroline unter
Betriebsbedingungen eingesetzte erste eiserne
Förderseil erbrachte den überzeugenden Beweis
ihrer Überlegenheit. In den folgenden Jahren
wurden überaus schnell alle Schächte des
Oberharzes mit eisernen Seilen ausgerüstet.
Damit konnte neben einer Senkung der Kosten eine
wesentliche Erhöhung der Betriebssicherheit
erreicht werden. Albert erkannte sofort, welche
Bedeutung seine Aktivitäten nicht nur für den
Erzbergbau des Oberharzes, sondern für den
gesamten Bergbau haben werden. Uneigennützig
informierte er auswärtige Bergverwaltungen und
veröffentlichte erstmals 1835/37 in der
Fachliteratur seine Erkenntnisse und positiven
Ergebnisse. Seilproben wurden Interessenten
kostenlos zur Verfügung gestellt und problemlos
Förderseile zu den Selbstkosten an andere
Bergverwaltungen geliefert. Bis 1843 wurden
allein in Clausthal jährlich etwa 15.000 m
zwölfdrähtige Seile und große Mengen weniger
starke Seile überwiegend für die Verwendung im
Bergbau in Handarbeit hergestellt. Nach der
Fertigung der Litzen aus je vier Drähten wurde
anschließend das Seil aus je drei Litzen in zwei
Arbeitsgängen gefertigt. Diese Technologie wurde
von Albert in allen Einzelheiten uneigennützig
allgemein bekannt gemacht. Bereits 1836 wurden
aus dem Oberharz Seile nach Pibram und Essen
geliefert. Ein Jahr später bestellte auch das
Bergamt Eisleben in Clausthal zwei Förderseile
je 180 m Länge. Jedes dieser Seile bestand aus
12 Drähten je Zoll Durchmesser. Das fertige Seil
hatte eine Stärke von 9/10 Zoll. Nachdem der
Wassermannschacht bei Wimmelburg das
Kupferschieferflöz bei einer Endteufe von 120 m
erreicht hatte, wurde 1837 ein zweispänniger
Pferdegöpel aufgestellt, der mit diesen neuen
Seilen ausgerüstet wurde. Im Jahresbericht für
1837 berichtete man stolz von dieser neuen
Errungenschaft: ,,Auf dem Wassermannschacht im
Schafbreiter Revier ist ein zweispänniger
Pferdegöpel behufs Förderung erbaut und die
hier zuerst in den hiesigen Revieren versuchte
Anwendung eiserner Treibseile den Erwartungen
entsprechend gewesen". Während der
Aufliegezeit von rund 2 ½ Jahren wurde eine
beachtenswert hohe Förderleistung ermittelt. Die
Kosten des ,,eisernen Seiles" betrugen nur
25 % entsprechender Hanfseile, wobei zusätzlich
eine etwa dreifache Aufliegezeit erreicht werden
konnte. Der Erfolg des Ersteinsatzes war
überzeugend. |
Das schloss jedoch nicht
aus, dass in den Folgejahren über die
erforderliche Dimensionierung von Treibseilen im
Mansfelder Bergbau heftig diskutiert wurde. Es
entstand gleichzeitig ein erbitterter Wettstreit
beim Einsatz von Hanf- oder Drahtseilen. Aus dem
Ahldorfer Revier wird 1839 berichtet, dass auch
dort das Drahtseil bei der Förderung mit
Pferdegöpel erfolgreich war. Wenn auch dem
Eisleber Bergamt aus einzelnen Revieren
mitgeteilt wurde, dass neue Treibseile aus Hanf
ab 1839 nicht mehr bestellt wurden, so wurden
auch weiterhin Seile aus Hanf auf
Fördereinrichtungen neu aufgelegt. Noch 1849
waren vier derartige Seile der Seilermeister
Florstedt und Schildhauer zu beurteilen. Das
erste Florstedter Seil, 200 m lang und 100 Fäden
stark war auf dem 94 m tiefen Wagfortschacht nach
61 Wochen durch notwendige Kürzungen nur noch
rund 100 m lang und so weit niedergeführt, dass
es unbrauchbar war. Das zweite Florstedter Seil
war im 74 m tiefen Lichtloch 30 des Zabenstedter
Stollens nach 42 Wochen unbrauchbar. Das erste
Schildhauer-Seil auf dem 88 m tiefen Venusschacht
war 34 Wochen in Betrieb, das zweite Seil auf dem
94 m tiefen Wagsfortschacht musste nach einer
Betriebszeit von 27 Wochen abgenommen werden. Aus
dem Hirschwinkler Revier werden dem Bergamt von
weiteren 12 Schächten Einzelergebnisse genannt.
Zusammenfassend ist dabei festzustellen, dass bei
einer durchschnittlichen Schachtteufe von 121,6 m
und 197 Förderschichten eine durchschnittliche
Betriebsdauer eines Hanfseiles von 28,4 Wochen
erreicht wurde. 1850 wurde schließlich der
Seilermeister Schildhauer aufgefordert, seine
noch im Lager befindlichen Seile zurückzunehmen,
da mit diesen Seilen unter den veränderten
Bedingungen die Sicherheit für die Bergarbeit
nicht mehr zu gewährleisten war. Der
Seilsicherheit wurde auch weiterhin zunehmend
große Beachtung geschenkt. Im gleichen Jahr
erfolgte die Anweisung, dass von jedem Seil,
welches in Gebrauch genommen wird, eine Probe auf
Haltbarkeit und Tragfähigkeit vorzunehmen ist.
Die Nutzung von Hanfseilen bei der
Schachtförderung im Mansfelder Bergbau geht
Mitte des 19. Jahrhunderts dem Ende zu. Aus
Hettstedt ist bekannt, dass noch bis 1861 fünf
bis sechs Seilermeister überwiegend Arbeit durch
die Seilfertigung für den Bergbau fanden. Nicht
überliefert ist, ob es sich dabei
ausschließlich bereits um Drahtseile handelte.
Die örtlichen Seilermeister passten sich
weitgehend den neuen Forderungen an. So schlug
der Sangerhäuser Seilermeister Reisner dem
Bergamt in Eisleben vor, dass er 1859 die
Fertigung von Drahtseilen übernehmen wolle,
nachdem er bereits über einen Zeitraum von zwei
Jahren 28 derartige Seile gefertigt hat.
Andererseits stand noch im Jahr 1859 die
Entscheidung, ob für die geplante Förderanlage
des Lichtloches 81 in Klostermansfeld ein Hanf-
oder ein Drahtseil zu beschaffen sei. Gegen die
Verwendung eines Drahtseiles wurden Bedenken
eines negativen Einflusses von Schachtwasser auf
die ,,dünnen" Eisendrähte geäußert.
Schließlich wurde die Entscheidung getroffen,
auch bei dieser Schachtförderung Drahtseile zu
verwenden. Ausschlaggebend dafür waren die guten
Erfahrungen bei der Schachtförderung im
Müllerschacht und der Schmidschächter Fahrkunst
bei der nach einer Aufliegezeit von über acht
Jahren die ,,eisernen Seile" noch
vollständig unversehrt waren. Die Entscheidung
fiel aus mehreren Angeboten auf ein Drahtseil aus
Westfalen. Der Ersatz der Hanfseile durch
Drahtseile war in der damaligen Zeit des Umbruchs
offensichtlich keine leichte Entscheidung. Erst
in den folgenden Jahren verdrängten Drahtseile
die Hanfseile auch im Mansfelder Land fast
vollständig. Nun wurden auch Drahtseile
gefertigt, die auf Rundbäume kleiner Haspel
aufgelegt und aus den fast ausschließlich
positiven Erfahrungen mit Drahtseilen begründete
Einwände nicht mehr erbracht werden konnten. Das
,,eyserne Seil" war ein bewährtes
Maschinenelement geworden. Nicht nur im Bergbau,
sondern auch in vielen anderen Industriezweigen
findet das Stahlseil Anwendung und ist nicht mehr
zu entbehren. Zusammenfassend bleibt
festzustellen, dass dieses Beispiel
bergmännischer Aktivitäten der Menschheit in
mehr als 17 Jahrzehnten weltweit unschätzbare
Dienste geleistet hat. |
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